Ärzte ohne Grenzen: Hut ab! Die Hilfsorganisation distanziert sich von ihren bisherigen Bildern der „rettenden Weißen“ und möchte in Zukunft die Diversität ihres weltweiten Teams in den Vordergrund stellen. „White people shouldn’t be the center of every story“ nimmt denke ich auf folgendes Video Bezug:
The danger of a single story
So heißt der berühmte TED-Talk der nigerianisch-amerikanischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie. Sie schildert anhand ihrer eigenen Geschichte, wie gefährlich und irreführend es ist, nur einen Aspekt eines Menschen (oder Landes oder Kontinents) zu kennen und daraus Rückschlüsse über ihn (oder das Land oder den Kontinent) zu ziehen. In Nigeria aufgewachsen, kam sie zum Studium in die USA und war dort erstmals mit den Bilder, Vorstellungen und Stereotypen konfrontiert, die man sich im Westen über Afrika machte. Zitat: „Wäre ich nicht in Nigeria aufgewachsen und alles, was ich wusste, stammte aus gängigen Darstellungen, dann würde auch ich denken, Afrika sei ein Ort wunderschöner Landschaften, wunderschöner Tiere und unergründlicher Menschen, die sinnlose Kriege führen, an Armut und Aids sterben, unfähig sind für sich selbst zu sprechen, und die darauf warten von einem freundlichen, weißen Ausländer gerettet zu werden.“
Kein freundlicher, weiße Retter mehr?
Ärzte ohne Grenzen Norwegen hat unlängst ein Video veröffentlicht, in dem die Organisation selbstkritisch zugibt, in der Vergangenheit genau diese Bilder bewusst eingesetzt zu haben, um die Spendenbereitschaft zu erhöhen. Damit soll jetzt Schluss sein, in Zukunft soll „das ganze Bild“ gezeigt und keine rassistischen Stereotype mehr verfestigt werden. Und es werden auch gleich mit ein paar Fakten die richtigen Relationen hergestellt: Die meisten Mitarbeitenden der Organisation international kommen aus Südsudan und vier fünftel aller Beschäftigten werden in den Ländern rekrutiert, wo sie tätig sind. Diese Diversität wurde aber nie zum Thema gemacht. Der „rettende, weiße Engel“ soll jetzt in die Mottenkiste und die „hilfsbedürftigen Schwarzen“ vom Opfermythos befreit werden. Fraglich, ob sich diese Änderung in der Kommunikationsstrategie negativ aufs Fundraising auswirken wird – sie hoffen nicht. Denn schließlich geht es um „global solidarity and humanitarian justice.“
Gratulation und toi, toi, toi
Ich finde diesen Schritt der Hilfsorganisation bewundernswert, sich selbstkritisch ihren Kampagnen zu stellen, die rassistische Prägung anzuerkennen und sich gleichzeitig auf den Weg zu machen, diese Fehler nicht mehr zu wiederholen. Denn je mehr Organisationen das tun, desto mehr versteht auch die Gesellschaft, wie sehr unsere Stories anderer Kontinente von kolonialistischen und rassifizierten Vorstellungen geprägt sind. Und je mehr wir das verstehen, desto eher können wir gemeinsam daran arbeiten. Ich wünsche den Ärztinnen und Ärzten ohne Grenzen jedenfalls keinen Rückgang der Spendengelder…