Kennt ihr das Momentum Institut? Nein? Dann wird es aber Zeit! Es ist ein unabhängiger Think-Tank, der sich „im Interesse der Vielen“ folgenden Schwerpunkten widmet: Arbeit, Demokratie, Klima, Steuern und Verteilung. Das Institut führt hier nicht nur eigene Befragungen und Studien durch, sondern verknüpft vorhandene Daten und stellt diese in übersichtlichen Grafiken dar – meist eingebettet in Artikel, Kommentare oder Handlungsempfehlungen in Form von Policy Briefs. Und das sowohl auf der eigenen Website, als auch auf allen gängigen Social Media Plattformen und mit dem täglichen „Morgenmoment„-Newsletter. Der ist meine fixe Frühstücks-Lektüre und hat mir schon oft wertvolle Tipps und Hintergrund-Infos für meine Tätigkeit gebracht. Das Institut veranstaltet auch den jährlichen Momentum Kongress und gibt das Momentum Quarterly heraus – eine transdisziplinäre, wissenschaftliche Zeitschrift für Wissenschaft und Politik.
Barbara Blaha – Institutsleiterin
Genau an dieser Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik arbeitet Leiterin Barbara Blaha laut Eigenaussage am liebsten. Und es gelingt ihr hervorragend, die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch anschaulich und verständlich rüberzubringen – so hat sie zum Beispiel dem ORF-„Kaiser“ den Gender Pay Gap und die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen überzeugend und faktenbasiert erklärt.
Ich konnte Barbara Blaha unlängst bei der 10. Salzburger Armutskonferenz erleben – wo sie anhand zahlreicher Fakten aufzeigte, wie die Pandemie bereits bestehende Ungleichheiten verstärkt hat, die Corona-Hilfen oft an die Falschen gingen und wie sozial unverträglich Klimaschutzmaßnahmen wie die CO2 Steuer sind. Sie gab 3 konkrete Empfehlungen, wie es nun weitergehen soll.
Sozialpolitische Lehren aus der Pandemie
Auch wenn das Virus anscheinend alle gleichermaßen betrifft, ist es doch so, dass „sich die Wohlhabenden im Home-Office verstecken und uns die Arbeiterklasse versorgt“, stellte Blaha eingangs fest. Sie verwies auf eine bereits in der Finanzkrise 2009 durchgeführte Studie über den volkswirtschaftlichen Nutzen verschiedener Jobs. „Je mehr gesellschaftlichen Mehrwert ein Job hat, desto schlechter ist er bezahlt“, so das Fazit. Am meisten Mehrwert generiert die Reinigungskraft im Spital – am wenigsten der/die Steuerberater/in. Ist die Unverzichtbarkeit dieser Tätigkeiten der Schlüssel für die fehlende Anerkennung und Wahrnehmung? Tatsache ist, dass solche „systemerhaltenden Berufe“ meist von Frauen ausgeübt werden – und dass die Pandemie Frauen daher in mehrfacher Hinsicht hart traf, wie in folgenden Grafiken des Momentum Instituts sichtbar wird:
Wirtschaft sticht Mensch…?!
Dass in der Krise hauptsächlich Unternehmen, aber nicht Menschen geholfen wurde, führte Blaha anhand von Arbeitslosen-Statistiken und Analysen der Corona-Hilfen aus. Die gießkannen-artige Unterstützung von Unternehmen hat diesen zum Teil zu unerwarteten Gewinnen verholfen – finanziert von den Steuerzahler:innen, die ihrerseits ungleich weniger davon profitierten. Hier müsse bei Neuauflagen unbedingt aus Fehlern gelernt werden – mit Maßnahmen für eine gerechte Verteilung der Krisenkosten. Auch Kurzarbeit kann existenzbedrohend sein, und seit der Finanzkrise gibt es einen Sockel von 100.000 Langzeit-Arbeitssuchenden, für die ein Masterplan vonnöten sei – mit Maßnahmen wie Jobgarantien, Lehrlingsoffensiven und Projekten wie die der Arbeitsplatzgarantie im AMS-Projekt Marienthal. Bestürzend sei, dass sich seit der 80er-Jahre die wortidenten Vorurteile in Bezug auf Arbeitslosigkeit im öffentlichen Diskurs wieder fänden – von „schuldig“ und „unschuldig“ Arbeitslosen wäre da die Rede und von der sozialen Hängematte – ignorierend, dass das Arbeitslosengeld eigentlich eine Versicherungsleistung sei, für die man schließlich Beiträge gezahlt hätte. Diese Frames dürften nicht wiederholt werden, es sollten wissenschaftliche Fakten statt des Anekdotischen eine Rolle spielen! Diese Fakten werden aber allzu selten erhoben – auch hier möchte das Momentum Institut Menschen selber zu Wort kommen lassen, ihre Geschichten sichtbar machen und mit relevanten Daten verknüpfen.
Klimaschutz – aber mit sozialem Ausgleich!
Reiche sind die eigentlichen Klimazerstörer – sie fliegen und fahren mehr, und sind trotzdem weniger betroffen von der CO2 Steuer, so Blaha. Trotzdem ist Reichtum und Vermögen in Österreich im internationalen Vergleich wenig besteuert. Jetzt sei das Gebot der Stunde mit Klimaschutz Beschäftigung zu sichern und einen sozialen Ausgleich für Kimaschutz-Maßnahmen zu gewährleisten.
3+1 Empfehlungen für die Bewältigung der Krise
Für Blaha sind es also ganz klar die folgenden drei Maßnahmen, die für eine gerechtere Zukunft sorgen:
- Frauen absichern
- Arbeitssuchende absichern
- Klima absichern – aber sozial verträglich!
Und in der Diskussion ergänzte sie um einen vierten Punkt: Demokratie absichern!
Denn wer Politik macht, bestimmt auch, wohin die Gelder gehen. Unsere repräsentative Demokratie sei weder demokratisch noch repräsentativ, wenn einerseits ein erheblicher Teil der Wohnbevölkerung von der Mitbestimmung ausgeschlossen ist und andererseits die Verhältnisse im Parlament nicht die Gesellschaft und die Lebensrealität der Menschen widerspiegele. Und sie appellierte an „die Progressivsten“, Missstände aufzuzeigen und sich für die Menschen einzusetzen, die keine Lobby haben, denn: „Wenn es die Progressivsten nicht machen, dann macht es niemand!“. Womit wir wieder beim Ziel des Momentum Instituts wären…