Hach, es ist immer dasselbe! Jedes Mal, wenn ich die unzähligen vorgemerkten Blogthemen auf meiner Liste angehen will, kommt mir etwas Aktuelles dazwischen, das Vorrang bekommt. Diesmal ist es wieder einmal unser Bundeskanzler und es hat wieder einmal mit seiner Corona / Krisen-Kommunikation zu tun.
Balkan-Beats im Corona Fever
… und mit Beats meine ich jetzt durchaus Seitenhiebe! Kurz hat nämlich Zahlen präsentiert, wonach die Corona-Infektionen im Spätsommer aufgrund der Reiserückkehrer aus dem Balkan enorm gestiegen waren. „Zu einem Drittel von dort eingeschleppt“ lautete seine Diktion – eine bewusste Anspielung oder zumindest Assoziation auf Balkan und Schlepper? Prompt hagelte es öffentliche Kritik – zu Recht, finde ich. In der profil Morgenpost, war es gleich zwei Mal Thema; heute mit den tatsächlichen Zahlen aus der Stadt Wien getwittert vom Pressesprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats.
„Nicht mein Kanzler“
Mögen die Zahlen und Gegenzahlen nun von Journalist:innen und von Kurz‘ Büro kommentiert werden, mir geht es in diesem Beitrag um etwas anderes, und zwar die politische Legitimation. Darauf gebracht hat mich der Blog-Eintrag von Amra Duric, Journalistin bei „Heute“, der vom Magazin biber publiziert wurde: „So ein Kanzler ist nicht mein Kanzler“ schreibt sie, weil sie seine Worte als Hetze empfindet und sich wütend, verletzt und diskriminiert fühlt. Nachvollziehbar, finde ich. Das führt mich zu folgender Frage:
Wessen Kanzler ist Kurz tatsächlich?
Lasst uns doch einmal Wahlstatistiken ansehen und sie in Vergleich zur Wohnbevölkerung in Österreich setzen – die ja wohlgemerkt aus wahlberechtigten und nicht wahlberechtigten Einwohner:innen besteht. Dazu macht Gerd Valchars, Politologe an der Universität Wien, spannende Aufstellungen. Er zeigt anhand der letzten Nationalratswahl 2019 auf, dass auf Basis dieser Zahlen die Parteien folgendermaßen abgeschnitten haben:
Von allen Menschen, die in unserem Land leben, hat also nicht einmal ein Viertel die ÖVP gewählt und kann mit Recht behaupten: „Kurz ist MEIN Kanzler“. Mal die 21,3 Prozent beiseite gelassen, die nicht wählen wollten, bleiben immer noch 14,7 Prozent, die nicht wählen durften. Soweit die Zahlen. Das dahinterliegende Problem ist, dass die Wohnbevölkerung zwar steigt, die Wahlbevölkerung aber sinkt. Und dass damit die demokratische Legitimation von Politikern auch immer geringer wird, wie man in Valchars‘ Beiträgen zur „defizitären Demokratie“ nachlesen kann.
Vielleicht sollte sich das Kurz ab und zu vor Augen führen, wenn er zu den „Österreicherinnen und Österreichern“ spricht…!