Unlängst habe ich mit Trainer:innen des BFI Kärnten ihre Lehrmaterialien auf Stereotypen und Klischees untersucht. Dass diese im Schulbereich immer wieder auftauchen, habe ich ja schon vor einiger Zeit thematisiert.
Und es gibt auch wieder ein aktuelles Beispiel einer Bekannten aus dem Salzburger Land: Der Sohnemann darf in der Volksschule Sätze schreiben, was denn die Eltern so tragen, wenn Mama schön sein will und Papa ins Büro geht. Der Witz am Rande: In seiner Familie geht die Mama ins Büro und nicht der Papa! Für solche Spitzfindigkeiten ist aber kein Platz, denn Mama muss ja vorrangig schön sein… Auch das Momentum Institut hat dieses Thema aufgegriffen und fragwürdige Arbeitsblätter von „den vielen Berufen der Mutter“ aus einer niederösterreichischen Schule veröffentlicht.
It’s the time management, stupid!
Doch diese Rollenklischees machen auch vor Wirtschafts-Lehrbüchern für Jugendliche nicht Halt. Hier ein Schmankerl aus einem (neuen!) Lehrbuch für Wirtschaftskompetenz, das am BFI verwendet wird: Es geht um Maria, die eine Vielzahl von Rollen und Aufgaben zu erfüllen hat: Als Mutter, Hausfrau, Angestellte,Ehrenamtliche, Freundin, Tochter, Ehefrau, Frau… So weit, so gut und richtig erkannt. Und zu ihren Aufgaben gehört demnach abgesehen von der bezahlten und unbezahlten Arbeit auch: Kontakt halten, besuchen, pflegen, auf Aussehen und Gewicht achten und „ihre Ehe in Schwung halten“ (!?)
Es geht aber in diesem Beitrag nicht darum, die Rollenklischees zu hinterfragen, Gender Pay Gap zu thematisieren, die ungleichen gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen zu reflektieren oder auch Gegenbeispiele zu bringen. Nein – es geht um ZEITMANAGEMENT!!!
Maria hat einfach das Problem, dass sie falsche Prioritäten setzt! Und die Lösung wird auch gleich präsentiert: Ein bisschen weniger staubsaugen, weniger WhatsApp, weniger Fernsehen, das Ehrenamt abgeben… und schon hat Maria ein paar Stunden in der Woche gewonnen! Gratuliere! Übrigens: Den Göttergatten kann sie ja leider nicht in die Pflicht nehmen, da er beruflich viel unterwegs ist… Autor dieses Werks ist ein honoriger Herr, der sicher über gute wirtschaftliche Fachkompetenzen verfügt, aber leider auch sein Bild der Gesellschaft munter weiter transportiert. Willkommen im 21. Jahrhundert!
Autor:innen, lasst euch helfen!!!
Aber es gibt auch Abhilfe – und es ist gar nicht so schwer, ein Schulbuch auf Klischees zu überprüfen! Denn verschiedene Stellen haben tolle Checklisten und Fragebögen veröffentlicht, die einen Gender und Diversity Blick auf Schulbücher ermöglichen. Damit können Autor:innen selber abschätzen, wie vielfältig sie die Gesellschaft abbilden und wie vorurteilsbewusst sie in Text und Bildauswahl sind. Denn vieles passiert ja gar nicht absichtlich – man greift halt einfach auf die Lebenswelten zurück, die man aus eigener Erfahrung kennt und lässt völlig außer Acht, dass die Lebenswelten der Schüler:innen und Kursteilnehmer:innen um ein vielfaches variantenreicher sind. Ein diverses Autor:innen-Team kann hier auch mehrere Sichtweisen einbringen – also raus aus dem Einzelkampf!
Einige der Checklisten möchte ich hier anführen:
- Hladschik, Patricia (2016): Empfehlungen für nicht-diskriminierende Schulbücher. Fokus Gender und sexuelle Orientierung. Wien: Edition polis;
- BMB (Hg.) (22012): Leitfaden zur Darstellung von Frauen und Männern in Unterrichtsmitteln. Wien;
- GEW Arbeitsgruppe LSBTI*: Qualitätskriterien für Gleichstellung und Antidiskriminierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien
Auf die Haltung kommt es an!
Das eine ist das Material, doch das andere ist die Haltung und das Diversitätsbewusstsein der Lehrperson: Welche Beispiele bringt sie? Wie kommentiert sie Klischees, die ihr auffallen? Nimmt sie Stereotypen in den Unterlagen als Ausgangspunkt für eine Diskussion oder Dekonstruktion dieser Bilder? Welcher Sprache bedient sie sich? Wie gleichberechtigt behandelt sie die Schüler:innen bzw. Teilnehmer:innen? Wie sehr kann sie sich von den eigenen Denkmustern befreien? Auch hier gibt es noch einiges nachzuholen, wie verschiedenste Studien zeigen – exemplarisch soll hier eine der ETH Zürich erwähnt werden, die Lehrerfahrung und Benotung von Mädchen in Physik untersucht hat.
Das geht am besten mit Anti-Bias Schulungen oder Gender & Diversity-Seminaren, die viel Raum für Reflexion und Austausch bieten – wie gut, dass die VielfaltsAgentin so etwas anbietet 🙂