Wer sieht sich als Garant für die Menschenrechte in Österreich? Und wer prangert welche Versäumnisse an? Das habe ich in einer kleinen APA-OTS Presseaussendungs-Recherche analysiert – mit teils erstaunlichen Ergebnissen.
Menschenrechte: universell und umfassend. Aber auch präsent?
Heute vor 72 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der UN-Generalversammlung verkündet. Sie ziehen sich durch alle Lebensbereiche, denn sie umfassen bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ebenso wie die Rechte der „Dritten Generation“ z. B. auf eine intakte Umwelt. Insofern könnte man erwarten, dass verschiedenste Regierungsmitglieder etwas zum Thema zu sagen haben – von Arbeit bis Umwelt, von Gesundheit bis Kunst. Weit gefehlt! Verlass ist in dieser Hinsicht zumindest auf unseren Bundespräsidenten Alexander van der Bellen: Er weist auf Facebook auf die Wichtigkeit und auch die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf die Menschenrechte hin. Und ja, auch der grüne Parlamentsklub betont in einer Aussendung, sich als humanistisches Korrektiv in der Regierung zu sehen.
Innenminister Nehammer als Robin Hood der Menschenrechte
Doch noch jemand beansprucht für sich, seine schützende Hand über die Einhaltung der Menschenrechte zu halten: Innenminister Karl Nehammer. „In Österreich ist die Polizei der Garant für die Gewährleistung der Menschenrechte,“ verlautet er in seiner Aussendung. Und verweist auf die Kooperation mit der Anti-Defamation-League bei der Menschenrechtsbildung der Exekkutivbediensteten. Wow. Sein Wort in Gottes Ohr – ich habe da andere Erfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund gehört…
Schon diplomatischer: Justizministerin Zadić
Da nimmt Justizministerin im Gegensatz dazu den Mund nicht so voll. Sie unterstreicht, dass den Menschenrechten „im Bereich der Justiz eine besondere Bedeutung zukommt, zum Beispiel beim Recht auf ein faires Verfahren, beim Verbot der Folter oder beim Recht auf Freiheit und Sicherheit.“ Und da dürfte es durchaus Verbesserungsbedarf geben, wenn man in der Aussendung der Selbst- und Interessensvertretung zum Maßnahmenvollzug liest, dass der Maßnahmenvollzug eine menschenrechtliche Katastrophe sei.
Etwas lau: Ministerin Raab
Frauenministerin Raab verkündet in einer allgemeinen Aussendung, dass „Jeder Mensch das Recht auf ein gewaltfreies Leben hat“. Was für eine Erkenntnis. Na gut, sie erwähnt noch, dass Menschenrechte auch Frauenrechte sind. Aber: Susanne Raab ist auch Integrationsministerin. Und sie erwähnt mit keinem Wort die menschenrechtliche Situation von MItbürger:innen mit Migrationshintergrund oder den politischen Willen, hier Diskriminierungen entgegenzuwirken. Schade.
Fokus auf Frauen und Behinderte, am Rande noch LGBTI
Breiter Konsens besteht in Österreichs Politik darin, dass die Benachteiligungen von Frauen und Behinderten beseitigt werden müssen – dazu melden sich die verschiedensten Organisationen von Behindertenrat bis ÖAAB, vom Grünen bis zum Freiheitlichen Parlamentsklub zu Wort. Der SPÖ Parlamentsklub hingegen bringt das Thema Nationaler Aktionsplan für die Gleichstellung und Antidiskriminierung von Lesben, schwulen, bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen und queeren Menschen in Österreich aufs Tapet.
www.menschenrechtebrauchengesetze.at
Einige Aussendungen wie die der AG Globale Verantwortung beziehen sich auf die Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze„, die im Oktober 2020 ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel ist eine verbindliche Regulierung von Unternehmen, um diese zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren internationalen Lieferketten zu verpflichten. Die europaweite Petition kann man übrigens hier unterzeichnen. Eine tolle Initiative, finde ich!
Und sonst noch?
Die Themenpalette abseits der Politik ist durchaus breiter. So fordert Amnesty International zum Beispiel die weltweite Verteilungsgerechtigkeit beim COVID-19 Impfstoff und den Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle Menschen. Der Österreichische Journalisten Club verlangt politisches Asyl für Julian Assange in Österreich. Die Bundesjugendvertretung erinnert an die mangelhafte Umsetzung der im UN Sozialpakt verbrieften Rechte in Österreich. Die jüdische Hochschüler:innenschaft informiert über eine weltweite Menschenrechts-Aktion für Uyghur:innen vor der chinesischen Botschaft.
Wo bleiben Migration und Integration?
Überrascht hat mich, dass die Themen Migration und Integration am internationalen Tag der Menschenrechte kaum zur Sprache kamen. Obwohl das Bereiche sind, wo vielfach Benachteiligung und Diskriminierung passiert – auch in Österreich. Doch vielleicht ist die Lobby da (noch) nicht laut genug…? Im besten Fall nutzt sie anderen Kanäle und ist auf der klassischen Presseaussendungs-Schiene nicht mehr anzutreffen? Was glaubt ihr?
PS: Menschenrechte in a nutshell
Wer sich kurz und knackig über die Entstehung und den Inhalt der Menschenrechtskonvention von 1948 informieren will, hier ein Video!