Jetzt ist sie wieder da, die Zeit, in der Salzburg zum Nabel der Welt wird und wir Stadt und Land mit Reisenden und Festspielgästen aus aller Welt teilen müssen! Zugegeben, oft nervt es mich schon, wenn ich auf den letzten Drücker mit dem Fahrrad zu einem Termin hetze und am Radweg einen halsbrecherischen Slalom zwischen fotografierenden Tourist:innen hinlegen muss. Da kommen mir dann schnell Gedanken wie: „Können die nicht schauen? Runter vom Radweg!“ und „Ich lebe hier, also habe ich Vorrang und ihr passt gefälligst besser auf!“.
Spannenderweise geht es mir ganz anders, wenn ich mit meinem Hund gemütlich durch die Stadt spaziere. Und mir angesichts der verzückten Gesichter ob des malerischen Festungsblicks denke: „Ja, sie haben Recht. Das ist wirklich ein wunderschöner Anblick. Wäre ich zu Besuch hier, würde ich auch genau hier stehen und ein Bild machen wollen.“
Und plötzlich sehe ich meine eigene Stadt mit anderen Augen und bin fast ein bisschen stolz. Da kann es schon einmal passieren, dass ich Urlaubsgästen anbiete für sie ein Foto zu machen. Oder ihnen Tipps gebe, in welche Lokale sie gehen sollen. Oder mit ihnen im Park ins Gespräch komme. Oder sie einfach nur anlächle.
Eine Frage der Haltung
Was ich damit sagen will? Ich habe an mir beobachtet, dass das Gelingen von interkulturellen Begegnungen sehr viel mit meiner inneren Haltung und meiner Stimmung zu tun hat. Bin ich entspannt, offen und neugierig, erfreue ich mich an dem bunten Treiben und bin auch viel nachsichtiger, wenn jemand unsere (ungeschriebenen) Regeln nicht beachtet. Bin ich müde, gestresst und missmutig, löst dasselbe Verhalten Ärger aus – und dann ist es nicht mehr weit zu Stereotypen und Vorurteilen. Schuld sind klarerweise die anderen, die sich nicht benehmen können.
Der Blick in den Spiegel
Als Gegentest versuche ich mir dann vorzustellen, wie ich mich als Reisende verhalte. Bin ich immer kultursensibel unterwegs und respektiere die örtlichen Gegebenheiten? Nehme ich vielleicht auch einmal einer einheimischen Person den Platz weg oder irritiere sie durch mein Verhalten? Erwarte ich als Gast bevorzugt behandelt zu werden? Dieser Perspektivenwechsel hilft mir manchmal gegen meinen Ärger.
Klar gelingt es mir nicht immer, allen freundlich entgegenzutreten und tolerant zu sein. Und natürlich gibt es unhöfliche und ignorante Menschen. Aber ich unterdrücke den Impuls, das einer fremden Kultur zuzuschreiben. Denn gegenseitiger Respekt ist ein Wert, den Menschen in aller Welt teilen – auch wenn die Art und Weise, wie dieser Respekt gezeigt wird, kulturell variieren kann.
Der gute Vorsatz…
Ich hoffe, ich erinnere mich an meine Worte, wenn ich das nächste Mal gehetzt meinen Radweg-Slalom absolviere…!
Dieser Text erschien als „Vielfaltskolumne“ in der Salzburger Straßenzeitung Apropos im August 2023.