Vielleicht hat ja das Homeschooling auch etwas Gutes: Erstmals bekommen die Eltern so richtig hautnah mit, welche Arbeitsblätter ihre Kinder serviert bekommen. Rassismen und Geschlechterstereotypen sind da keine Seltenheit. Und es ist wie immer: Wer Missstände anspricht, wird beschimpft.
Schwungübung mit N-Wort
Die Tiroler Tageszeitung berichtet am 1. Februar, dass Volksschulkinder als „praktische, lustbetonte Übungen zum Erlernen der Schreibschrift“ so manch Interessantes zu zeichnen haben. In diesem Fall ein schwarzes Gesicht mit dunklen gekräuselten Haaren, zum besseren Verständnis begleitet vom N-Wort. Ein NEOS-Abgeordneter hatte das aufgegriffen, die Bildungslandesrätin ist „entsetzt und schockiert“ und kündigt Konsequenzen an, die Bildungsdirektion nimmt die Unterlagen umgehend vom Server. So weit so gut. Irritierend in diesem Zusammenhang jedoch die Kommentare auf Facebook, wo der Artikel von der Zeitung geteilt wurde. Angefangen von Verharmlosung („ist doch nicht rassistisch“) über Lächerlich-Machen („darf ich jetzt noch Schwarzbrot sagen“) bis hin zur Relativierung („haben wir keine anderen Probleme“) geben die Reaktionen der Leser:innenschaft einen aufschlussreichen Einblick in die heimische, gekränkte Seele.
Lustige Faschingskostüme: Selten so gelacht!
Doch das ist kein Einzelfall. Ein anderes Beispiel erreichte die VielfaltsAgentin aus dem Zillertal: Da sollten Volksschulkinder lustige Faschingskostüme anmalen. Ein stereotyper Chinese war da nebst einem federbehaupteten Native American, ein stattlicher Prinz neben einer hässlichen Hexe. Und natürlich durfte auch die kleine schwarze Figur mit dem Speer, Kraushaar und Ohrgehängen nicht fehlen – in schönster Schreibschrift untertitelt mit dem N-Wort. Willkommen im 21. Jahrhundert.
Ach wie lieb: rosa und hellblau
Aus Innsbruck die nächste spannende Übung: Die Schüler:innen sollten abgebildete Kinder in der „richtigen“ Farbe umrahmen: rot/rosa für Mädchen, blau für Jungen. Unnötig zu erwähnen, dass natürlich alle Jungen unmissverständlich an ihren kurzen und die Mädchen an den langen Haaren zu erkennen waren. Als weiteres Merkmal hatten zwei Mädchen auch süße Herzchen am Gewand, die Buben maximal geringelte Kleidung. Wow. Gendergerechte Pädagogik sieht anders aus. Aber vielleicht ist die Welt ja in Tirol noch in Ordnung, alles eindeutig zuordenbar, keine transgender Personen, keine Mädchen, die blau und Jungen, die rosa tragen und schon gar keine Mädls mit kurzen und Burschen mit langen Haaren. Zumindest tragen die örtlichen Volksschulen dazu bei, dass es so bleibt.
Materialien wie untote Zombies
Auch wenn nach einem öffentlichen Aufschrei die Vorlagen von diversen Bildungsservern genommen werden: Wer jemals unterrichtet hat, weiß, wie es läuft. Man erstellt sich im Laufe der Zeit seine eigenen Vorlagen, bekommt da und dort von Kolleg:innen etwas kopiert, verwendet weiter, tauscht fröhlich weiter und kommt so zu einer persönlichen Materialsammlung, auf die man immer wieder zurückgreift. Oft muss es dann schnell gehen – hui, heute ist Faschingsdienstag, da hatte ich doch diese liebe Malvorlage mit den lustigen Kostümen! Und schwupps ist der Zombie wieder auferstanden und darf weiterleben, auch wenn das offizielle Schulbuch das schon längst nicht mehr beinhaltet. Und was ist denn da so schlimm daran, im Fasching gehen wir ja alle verkleidet! Wahrscheinlich fehlt es da und dort auch an der nötigen Sensibilität. Und wer nimmt sich denn wirklich die Zeit, alle Unterlagen auf mögliche Diskriminierungen durchzusehen und auszusortieren?
Diskriminierungen in Schulbüchern aufzeigen und bekämpfen
Einer tut es schon lange: Simon Inou, Journalist und Medienkritiker, der sich seit über 20 Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung von Schwarzen in Österreich einsetzt. 2014 startete er einen Aufruf, Beispiele in Schulbüchern zu melden. 2015 hat er diese dann Verlagen und dem Bildungsministerium präsentiert – mit Verweis auf die österreichische Verfassung, in der in Artikel 7 das Diskriminierungsverbot und die Bekämpfung von Rassismus festgeschrieben steht. Sichtlich mit Wirkung, denn seither prüft er gemeinsam mit Schulbuchverlagen die österreichischen Schulbücher auf Herz und Nieren auf Diskriminierung. Denn welcher Verlag möchte schon verfassungswidrige Inhalte verbreiten? In einem Interview 2018 gibt er zu, dass der Widerstand am Anfang groß war. Aber er bleibt dran, denn: „Wir können nicht jeden Tag sagen, wir brauchen eine rassismusfreie Gesellschaft und gleichzeitig in den Schulbüchern Rassismus-Inhalte verbreiten.“ Und es ist noch viel zu tun, in Österreich werden ca. 8.000 Schulbücher verlegt und nur alle paar Jahre überarbeitet.
Dass das Problem in unserem Nachbarland Deutschland genauso existiert und mehr als aktuell ist, zeigt folgender Artikel in Pinkstinks! vom Vorjahr. User:innen auf Sozialen Medien hatten auch hier zahlreiche Beispiele geliefert.
Aufzeigen, melden, dranbleiben!
Daher mein Aufruf: Wenn euch solche Beispiele unterkommen, meldet sie! Das geht zum Beispiel über die Facebook-Seite „Schulbücher-Österreich # Diskriminierungen in Schulbüchern bekämpfen“. Kann man nur hoffen, dass die dort abgebildeten Beispiel aus dem Jahr 2012 bereits aus dem Verkehr gezogen sind…!
PS: Natürlich weiß ich, dass es sich hier um kein Tiroler Phänomen handelt… aber in diesem Fall waren alle Beispiele aus Tirol und es ist ja auch schön, wenn nicht immer alles so Wien-lastig ist… 😉