Anlässlich meiner Angola-Reise wollte ich auch eintauchen in die Literatur dieses Landes – und habe mit José Eduardo Agualusa einen wunderbaren Schriftsteller entdeckt! Der in Angola geborene Autor mit portugiesischen und brasilianischen Vorfahren schreibt fantastisch-skurrile Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit, die sich dann doch überraschend in einer Realität wiederfinden. Und zwar der angolanischen Lebensrealität geprägt von den starken Gegensätzen dieses Landes, das vor 30 Jahren den Bürgerkrieg überwunden hat. Ich habe zwei Romane von Agualusa gelesen – und es waren sicher nicht die letzten!
Das Lachen des Geckos
Der Beruf des Hauptprotagonisten Félix Ventura ist ein Ungewöhnlicher: Er erfindet für seine Kundschaft Biografien und stattet sie mit einer neuen, meist glanzvollen Vergangenheit aus. Eines Tages taucht ein Mann auf, der eine komplett neue Identität von Ventura haben möchte. Und gleichzeitig tritt eine Fotografin in sein Leben, die ebenso geheimnisvoll bleibt. Der neue Kunde ist so überzeugt von seiner neuen Identität, dass er sich auf die Suche nach Spuren seiner erfundenen Vergangenheit begibt – und zu Venturas Überraschung auch fündig wird. Und ganz zum Schluss lüftet sich auch das Geheimnis, das der Kunde und die Fotografin teilen. Erzählt wird die Geschichte zum Teil aus der Sicht eines Geckos, der im Haus Venturas lebt und in seinem früheren Leben ein Mensch gewesen ist. Traum und Handlung vermischen sich, und trotzdem fügt sich alles zu einem Ganzen. Die Handlung spielt in Luandas Hauptstadt Angola und man erhält immer wieder Einblick in die Geschichte und Gegenwart des Landes.
Eine allgemeine Theorie des Vergessens
Dieser Roman beruht angeblich auf einer wahren Begebenheit: Die Portugiesin Ludovica lebt mit ihrer Schwester und deren Mann in Luanda. Als sich das Ende der Kolonialzeit abzeichnet, flüchten die Schwester und der Mann nach Portugal. Die überaus ängstliche Ludovica ist nun allein in der großen Wohnung, und als sie einen vermutlichen Einbrecher erschießt und in den Pflanzentrögen am Balkon verscharrt, beschließt sie, sich – nur in Gesellschaft ihres Hundes – in der Wohnung einzumauern. Als sich die Vorräte dem Ende zuneigen, beginnt sie Nahrung am Balkon anzubauen und wird auch sonst erfinderisch, was ihre Überlebensstrategien betrifft. So überdauert sie Jahrzehnte des Bürgerkrieges, bis sich ein kleiner Junge über ein Baugerüst in ihre Wohnung verirrt. Und es tauchen auch einige andere Gestalten auf, deren Geschichte auf die eine oder andere Art mit Ludovica verbunden ist, wie sich am Ende herausstellt. Auch in diesem Buch ist der Wandel zwischen Traum, Fantasie, Realität und Aufzeichnungen der isolierten Ludovica allgegenwärtig – eingebettet in die historischen Umwälzungen Angolas.
Was mir in beiden Büchern sehr gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass man viel über Land und Leute erfährt. Und dass man sich darauf einlassen muss, nicht immer hundertprozentige Klarheit über die Handlung oder den Sinn von Textpassagen wie Träume oder Tagebuchaufzeichnungen zu haben. Aber genau darin liegt der Reiz dieser Lektüre, die ich nur wärmstens empfehlen kann!